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«Der September 1935 war noch sommerlich warm, und er konnte der Versuchung nicht widerstehen, in seinem offenen Isotta-Fraschini von Berlin ins Tessin zu rasen.»
Als Immanuel Wassermann, ein jüdischer Farbenfabrikant aus Berlin, im Jahre 1935 in Locarno der jungen und schönen Sizilianerin Gioia begegnet, ist es um beide geschehen. Sie verlieben sich augenblicklich, und schon anderntags heiraten sie. Die fabrikneue Matratze, auf der sie ihre Hochzeitsnacht verbringen, wird Wassermann dem schwäbischen Hotelier abkaufen – nicht nur, weil sie so unglaublich gut ist, das ist sie auch. Sondern vor allem Gioia zuliebe, denn auf der Matratze ist ein Blutflecken zu erkennen, der sich nicht entfernen lässt. In Tim Krohns Erzählung «Aus dem Leben einer Matratze bester Machart» findet das Qualitätsprodukt auch weiterhin Verwendung, nicht nur bei Wassermanns, die durch die Zeitläufte bald auseinander gerissen werden. Auf raffinierte und sehr unterhaltsame Weise lässt Krohn die deutsche Matratze zum unentbehrlichen Gegenstand einiger seltsamer Begebenheiten werden, und ihre Geschichte führt quer durch das 20. Jahrhundert. So dient sie einmal einem armen Paar, Rosi und Heinz Stalder, in der Nachkriegszeit als Unterlage in einer Notunterkunft, Jahre später werden Lorenz und Sibylle dieselbe Matratze in ihrem Deux-chevaux mitführen, als sie einen vergeblichen Versuch unternehmen, im sommerlichen Schnee über den Gotthard zu fahren. Auf seltsamen Umwegen wird die Matratze nach Italien gelangen, erst nach Rom, danach ins Meer, wo ein Angler ins Wasser gefallen ist und um sein Leben schwimmt. Und schliesslich werden ihre Überreste in Beaulieu-sur-Mer, in der Nähe von Nizza, an Land gespült – wo diese köstliche, mit leichter Hand erzählte Geschichte auf überraschende Weise endet.
(Martin Zingg)
Zur Übersetzung empfohlen von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia:
www.12swissbooks.ch
Galiani Verlag, Berlin 2014
ISBN: 978-3-86971-088-4
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