Möchten Sie, dass Ihre Webseite im Suchindex erscheint?
Sie sind Autor oder Verleger und planen ein Buch oder eine Veröffentlichung?
In, dus, trais...
BookfinderAuturs
«Jetzt sucht die Frau ihre eigene Wahrheit. Hat sie sich nicht oft damit beschäftigt, was die andern taten, was sie dachten, wie sie redeten, dabei vergass sie sich selbst, liess sich liegen wie ein zerknülltes Taschentuch, las sich nicht mehr auf. Jetzt fragt sie nach verlegten Dingen, nach verlorengegangenen Wörtern, sie will wissen: wie war es, wie war es wirklich, wie, zum Beispiel, war es mit dem Kind. Die Frau will sich der Erinnerung erinnern.»
Die Journalistin Laure Wyss (1913 – 2002) hatte ein Leben gelebt, bevor sie als Autorin zu schreiben begann. Als alleinerziehende Mutter eines Sohnes verdiente sie sich ihr Leben mit journalistischen Arbeiten. Zu grossen Sprüngen reichte es nie. An der Grenze zur Pensionierung – der Sohn war ausgeflogen, ihr bester Freund verstorben – betrat sie mit dem Buch «Mutters Geburtstag» Neuland. Sie machte sich darin auf den Weg, «ihre eigene Wahrheit» zu suchen, indem sie das Leben einer auf sich allein gestellten, berufstätigen Frau namens A. in der patriarchalen Gesellschaft erzählte. Mit diesem literarischen Debüt ging die damals bekannte und geschätzte Journalistin kein geringes Risiko ein. Mit dem Entscheid, ihren Bericht in dritter Person zu erzählen, schuf sie eine Distanz zur eigenen Person. Laure Wyss beschreibt darin Erfahrungen, die nicht allein sie betrafen. In der Schreibweise bleibt sie sachlich, fast spröde distanziert, um die Realität weiblichen Lebens erst recht begreiflich zu machen. Erst das letzte Kapitel wechselt in die Ich-Rede, als die Erzählerin am Sterbebett ihrer Mutter sitzt und sich mit ihr versöhnt. Der Erfolg gab Laure Wyss Recht. Die Zeit damals (erst sieben Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz) war reif für diese sehr persönliche und zugleich exemplarische Auseinandersetzung. Für die Autorin selbst bedeutete «Mutters Geburtstag» die Überwindung vieler quälender Selbstzweifel und den Beginn einer neuen Schaffensphase, die ihren Ruf als pointierte Kritikerin der herrschenden Geschlechterverhältnisse zusätzlich schärfte.
(Beat Mazenauer)
Huber-Verlag, Frauenfeld 1978
ISBN: 3-85791-454-8